Unser Ziel

Eine europäische multikulturelle Gesellschaft auf der Grundlage der Philosophie als ‚Vernunftreligion‘

Europa entwickelt sich immer mehr als multikulturelle Gesellschaft. Der Hauptunterschied zwischen den verschiedenen Kulturen, die diese Gesellschaft aktuell schon bilden und in der Zukunft immer mehr bilden werden, besteht im allgemeinen in den ethischen Werten, die dem Menschen eine Lebensorientierung geben. Diese Werte sind ihrerseits auf den Religionen gegründet, die die Tradition dieser Kulturen gründen. Auch die westliche Kultur entgeht diesem Prinzip nicht: ihre „Religion“ ist der Relativismus, Hauptergebnis der Aufklärung, also die Auffassung wonach der Einzelne die ethische Orientierung seines Lebens ohne Bezug auf ein höheres Wesen selber entscheiden soll. Auch der aufklärerische Relativismus hat somit einen „Gott“, und zwar den einzelnen Menschen.

Von dem Standpunkt der Geschichtsphilosophie aus, scheint sich die multikulturelle Gesellschaft, nicht anders als die weltweite Gemeinschaft, zwischen diesen beiden Polen also zu bewegen: die traditionellen Weltreligionen gründen ihre Lebensorientierungen auf einem Gott, der als höheres Wesen und als das Absolute gilt. Die säkularisierten Kulturen, insbesondere die westliche, gründen ihre Lebensorientierung auf dem einzelnen Menschen, der genau als den Gegenpol des religiösen Gottes konzipiert wird und seinerseits ebenso als das Absolute gilt.

Die sowohl europäische als auch weltweite multikulturelle Gesellschaft scheint deshalb in sich extrem gespalten zu sein. Diese Spaltung überdeckt die Spaltung, die jede von diesen zwei Welten in sich hat: die religiöse Welt ist in sich auch gespalten, weil jede Religion denkt, dass ihr Gott der richtige ist. Ein bestehender Hass, Ergebnis von Jahrhunderten an Kriegen, verursacht Spannungen, die in verschiedenen Fällen – wie zum Beispiel im Nahen Osten – zu eskalieren drohen. Die westliche Welt ist in sich ebenso gespalten, insbesondere aufgrund eines wachsenden Unterschieds zwischen Armen und Reichen, der auf einem vorübergehend still geworden, aber nie richtig überwundenen Klassenkampf ruht.

Für diese sehr schwierige Situation, die unser tägliches Leben schon heute bestimmt und höchstwahrscheinlich künftig immer mehr bestimmen wird, gibt es eine Lösung, die selbstverständlich nicht einfach ist, aber sie scheint wohl die einzige zu sein. Diese Lösung ist das Ergebnis von über zweitausend Jahre philosophischen Denkens, die zwischen Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts zu der Erarbeitung des Begriffs und der Hauptprinzipien einer „Vernunftreligion“ geführt hat, wie Immanuel Kant sie bezeichnet hat.

In seinem 1793 erschienenen Buch Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft hat der Philosoph die Grundlinien einer Religion entworfen, die von der einen Seite eine Religion ist und deshalb das Absolute erkennt, von der anderen Seite aber dieses Absolute mit der Vernunft begründet und deswegen nicht als Dogma anerkennt. Sie bildet somit eine Brücke zwischen der Anforderung des Glaubens nach einem Absoluten und der Anforderung des Wissens – beziehungsweise der Vernunft – nach einer Legitimation dieses Absoluten durch den Verstand des einzelnen Menschen.

Dieser Grundgedanke von Kants Religionsphilosophie wurde von Schelling und insbesondere Hegel aufgenommen und beide Philosophen entwickelten ihre Philosophien als Verwirklichung von jener Kants Grundidee. Das Ergebnis dieser engen philosophischen ‚Zusammenarbeit‘  ist das philosophische System Hegels, das sich ausdrücklich als Vernunftreligion präsentiert. Als solche fördert Hegels Philosophie eine ethische Lebensorientierung, die sich auf einem Absoluten gründet und Werte aufzeigt, die dem Leben der Menschen einen Sinn geben. Diese sinnvolle Lebensorientierung ermöglicht den Menschen ein erfülltes, glückliches Leben, soweit dies möglich ist.

Das Absolute, worauf Hegel seine Ethik gründet, ist Ergebnis einer strengen wissenschaftlichen Untersuchung, die der Philosoph auf logischer Ebene führt. Somit ist das Absolute kein Gegenstand vom Glaube, sondern vom Wissen. Natürlich soll der einzelne Mensch sich anstrengen, das Absolute zu erkennen, und das kann jeder Einzelne durch innere, tiefe Reflexion. Aus diesem Grund ist das philosophische Absolute von Hegels Philosophie sowohl im Einklang mit der Forderung der Weltreligionen nach einem Absoluten, das über den einzelnen Menschen sei, als auch mit der Forderung der säkularisierten Gesellschaft, die forderte, dass die Begründung der ethischen Werte kein Dogma sein darf, sondern von der Vernunft des einzelnen Menschen untersucht, geprüft und gegebenenfalls akzeptiert werden soll.

Aus diesen Gründen scheint Hegels Philosophie, die sich selbstverständlich nicht nur auf Kant sondern auf die ganze philosophische Tradition bezieht,  die richtige Grundlage für die Erarbeitung einer Lösung für die Spaltung zwischen religiöser und säkularisierter Welt, die wir am Anfang als die große Herausforderung der multikulturellen Gesellschaft der Zukunft bestimmt haben.

Somit entsteht das Projekt der Formulierung einer Philosophie, die, von Hegel und Kant ausgehend, eine Vernunftreligion stiftet, die für unsere Zeit gelten und modern sein kann. Hegels philosophisches System ist immerhin fast zweihundert Jahre alt und, obwohl er die Grundprinzipien dieser Vernunftreligion eindeutig beinhaltet, trotzdem in seiner äußeren Gestalt unter seinem Alter leidet. In dieser originalen, unvermittelten Form kann dieses System den heutigen, gemeinen Menschen nicht direkt ansprechen.

Unser Projekt gliedert sich also wie folgt:

  1. In erster Linie soll ein Handbuch der Philosophie verfasst werden, in dem die neuformulierte Vernunftreligion dargestellt wird. Dieses Handbuch darf weder zu umfangreich noch zu wissenschaftlich erarbeitet sein, weil es nicht das kleine Publikum der Akademie, sondern das sinnsuchende, allgemeine Publikum ansprechen soll. Die Kürze hilft dabei, dass die Meschen sich problemlos die Zeit nehmen können, wenige aber wichtige tief gedachte Seiten zu lesen; die Einfachheit der Sprache dient dazu, dass alle Menschen erreicht werden und nicht nur diejenige, die in ihrem Leben studieren durften. In der Tat ist die Suche nach dem Sinn des Lebens ein Bedürfnis von allen Menschen und nicht nur von den Akademikern. Es soll natürlich auch eine erweiterte und wissenschaftlich detailliertere Fassung erarbeitet werden, die die Grundlage der Populärversion bilden soll.
  2. Es soll ein kleines Forschungszentrum aufgebaut werden, in dem die sehr breite Literatur, die über dieses Thema bisher geschrieben wurde, angesammelt wird und wo sich interessierte Menschen und Forscher treffen können, um diese Materialien zu erforschen und sich darüber auszutauschen.
  3. In diesem Zentrum soll die neue „Vernunftreligion“ weiter erforscht und unterrichtet werden und somit sollen alle diejenigen, die es wollen, nach den Prinzipien von dieser Vernunftreligion ‚europäisch-philosophisch‘ gebildet werden. Es wäre anstrebenswert, durch ein gezieltes Programm von Stipendien, Menschen aus verschiedenem religiösem Ursprung als Teilnehmer zu haben, um mit einer Art ‚Feldforschung‘  eine erste Rückmeldung über die Akzeptanz dieser Vernunftreligion zu bekommen. Erste Versuche, die in Italien (Urbino) und in Deutschland (Münster) stattgefunden haben, haben bislang zu positiven Ergebnissen geführt. Weitere Versuche werden folgen.
  4. Im Falle der Bestätigung dieser positiven Ergebnisse in mindestens zwei Zentren (zur Zeit Urbino in Italien und Lüneburg in Deutschland) über einen längeren Zeitraum (etwa 3-5 Jahre), wäre es anstrebenswert, eine Art Netz von „Zentren“ für die Förderung der philosophischen Vernunftreligion sowohl in anderen italienischen und deutschen Städten als auch in anderen europäischen Ländern aufzubauen. Dazu sind aber dritte Fördermittel notwendig.

In der Tat ist es so, dass die philosophische Vernunftreligion die metaphysische  und ethische Grundlage der Vereinigten Staaten von Europa werden soll. Es scheint in der Tat, dass die Entwicklung von Europa und der Geschichte der Philosophie zusammenfallen, so dass man zum Schluss kommen kann, dass die Geschichte der Philosophie als eigenes Ergebnis die Formulierung eine Theorie hat, die die Grundlage des europäischen Staates wird und diese als den ersten philosophischen und deshalb  richtig vernünftigen Staat der Geschichte bestimmen kann.

Auf Grund dieser Voraussetzungen  erhofft sich unser Projekt, den vielleicht entscheidenden Impuls zur Überwindung der immer noch starken nationalen Interessen in Europa und zur Gründung der Vereinigten Staaten Europas zu geben. Diese sollen dazu als ersten, entscheidenden Schritt zum föderalen Weltstaat angesehen werden, da nur eine Form von Weltstaatlichkeit kann die richtige Grundlage sein, auf deren Basis die größten Probleme der Menschheit, die inzwischen immer mehr übernational sind, gelöst werden können.