Mit der Erörterung der tiefen Bedeutung einer monistischen Weltauffassung haben wir bei der 4. Sitzung die Darstellung des theoretischen Teils des Systems der Philosophie zu Ende gebracht. Ergebnis davon ist, dass der Mensch in seinem Wesen logische Kreativität ist und diese darin besteht, ‚Begriffe‘, ‚Konzepte‘ auszuarbeiten und zu verwirklichen. Diese Tätigkeit allerdings ist auch die Tätigkeit des Absoluten, d.h. der Kraft, die dem Monos, dem Ganzen zugrundeliegt und überall im Universum sowie zu jederzeit neue Seienden schöpft, kreiert.
Dabei ist es hervorgekommen, wie wichtig es ist, das Denken richtig zu definieren. Insbesondere scheint das Denken als Vernunft nicht nur etwas Subjektives, sondern ebenso etwas Objektives zu sein. Es gibt selbstverständlich Vernunft im Menschen, es gibt aber auch Vernunft überall auf der Welt. Die Welt ist vernünftig strukturiert. Alles entwickelt sich nach einigen logischen Prinzipien, die dann die Grundlagen der Gesetze der Natur bilden. Diese logischen Prinzipien bilden die Grundstruktur des ‚Monos‘, der einzigen Totalität von dem, was gibt (Welt, Universum, Seiendes, Ganzes usw. egal wie wir es ausdrücken wollen).
Wir können diese Prinzipien erkennen, indem wir unsere Vernunft erforschen, da eben diese Prinzipien sind die Kategorien, die reinen Begriffe, worüber insbesondere schon Aristoteles, Kant, Hegel geschrieben haben), worin unsere subjektive Vernunft besteht. Die Kategorien sind das Wesen der Vernunft, ihr Stoff, sozusagen.
Das Hauptmerkmal der Vernunft, also der Kategorien, ist die Kreativität. Die Kategorien sind nicht etwas Festes, sondern in ständiger Bewegung, in kontinuierlicher Entwicklung, und das bildet das Leben des Geistes. Wir sind eben ständig geistig in Bewegung, nie zufrieden, wir wollen immer etwas Neues erschaffen, erreichen im Leben.
Die Kreativität ist aber auch das Hauptmerkmal der Materie, also der Natur, die ebenso ständig in Bewegung, in Entwicklung ist. Es könnte nicht anders sein, weil eben die Vernunft also die Kreativität überall wirkt.
Diese Erkenntnis führt dazu, dem Menschen einen absoluten Wert, eine absolute Würde zuzusprechen. Der Mensch ist die Verkörperung der absoluten Vernunft, des Prinzips der Welt (im Sinne der ‚causa finalis‘).
Damit wird der Mensch als ‚absoluter Geist‘ definiert, d.h. der Mensch ist ein geistiges Wesen, das sich schon teilweise in der Religion, aber dann vollständig in der Philosophie mit dem Absoluten identifiziert.
Diese Auffassung des Absoluten gründet eine neue Zivilisation, eine philosophische Zivilisation. Dieser Zivilisation liegt eine philosophische Vernunftreligion bzw. Vernunftethik zugrunde.
Diesbezüglich werden wir einige sehr wichtigen Texte gelesen, und zwar aus Kants praktischer Philosophie und aus Hegels Philosophie des Geistes.
Kant fordert uns auf, die Menschheit sowohl in uns selbst als auch in den anderen Menschen immer als Zweck und nie als Mittel zu behandeln.
Hegel erklärt uns, dass die gegenseitige Anerkennung die Grundlage aller Formen des Zusammenseins ist, wie etwa Freundschaft, Familie, Staat und dass diese philosophische Haltung eine neue Phase in der Geschichte der Menschheit eröffnet.
Dem Verständnis dieser neuen philosophischen Zivilisation wollen wir uns in den letzten drei Sitzungen beider Seminare widmen.
(Dr. Marco de Angelis)