Protokoll der 15. Sitzung der Philosophiegruppe Lüneburg am 30.10.2018

Protokoll des 15. Treffens der Philosophiegruppe Lüneburg
Dienstag, den 30.10.2018 (19:30-22:00 Uhr)
Leuphana Universität Lüneburg

Die 15. Sitzung der Philosophiegruppe Lüneburg wird eröffnet durch einen Vortrag von Ada Huntebrinker über ihre Hausarbeit mit dem Titel „Eine philosophische Kritik der Agenda 2030 – Inwiefern können die “Sustainable Development Goals” der Beginn eines “Weltstaats” sein und zu Frieden und internationaler Zusammenarbeit beitragen?“  Ausgehend von Immanuel Kants, Georg W. F. Hegels und Marco de Angelis‘ Überlegungen, legt sie eine theoretische Grundlage für das Konzept eines Weltstaates. Während Kant einen Weltstaat als die Voraussetzung für weltweiten Frieden versteht, sieht Hegel ihn als eine Utopie und sogar als ein Hindernis für Fortschritt. Beide sind sich jedoch einig, dass die Verbindlichkeit auf einer so hohen Instanz fehlen würde, um einen Weltstaat zu gründen. Dagegen plädiert Kant für einen ‚Völkerbund‘, während Hegel die internationalen Beziehungen (Traktate usw.) als die höchste Stufe der Politik auf internationale Ebene ansieht. Marco de Angelis, der aus der heutigen Zeit hinaus argumentiert, kommt zu dem Schluss, dass die Gründung eines Weltstaates heute, mit internationalen Organisationen wie z.B. der UN und der starken Europäischen Union, nicht mehr so weit davon entfernt ist.

Im weiteren Verlauf des Referates untersucht Ada Huntebrinker die Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen auf die Frage hin, ob sie ein erster Schritt hinsichtlich eines Weltstaates sein können. Dafür spricht, dass alle Mitglieder der Vereinten Nationen sich verabredet haben, also eine umfassende internationale Zusammenarbeit dahintersteht. Die Ziele selbst versprechen Frieden, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Doch bei genauerer Untersuchung wirken sie schnell wie leere „Symbolpolitik“ mit geringer Verbindlichkeit. Verantwortungen werden häufig nicht genannt, Ursachen werden ausgeklammert und auch einige Widersprüche entstehen zwischen den Zielen.

In der anschließenden Diskussion wird die Kritik vertieft, während andererseits anerkannt wird, dass die Agenda 2030 ein wichtiger erster Schritt ist in der Richtung der Verwirklichung eines Weltstaates ist und im Kern die wichtigen Probleme unserer Welt in Angriff nimmt sowie eine globale Verantwortlichkeit annimmt.

Die Verwirklichung eines Weltstaates erfordert, dass der Mensch Egoismus und seine Tendenz zur „Jetztpolitik“ zu einem gewissen Grad überwinden muss. In der Diskussion kam auch die Frage auf, ob der Mensch nur aus Fehlern lernt und sich noch einmal „an einer Herdplatte verbrennen“ muss, um endlich dauerhaften Frieden, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit als Werte der Weltgemeinschaft zu verwirklichen. Die EU entstand nach dem zweiten Weltkrieg, vielleicht entsteht ein Weltstaat erst nach einer noch größeren Katastrophe? War eine solche Katastrophe schon die Atombombe auf Japan?

Zum Schluss haben alle Teilnehmer Stellung zu der Frage genommen, ob ein Weltstaat überhaupt wünschenswert ist. Verschiedenste Argumente sprechen dafür: Beispielsweise ist unsere Welt heute so vernetzt und verknüpft, dass unsere Probleme und deren Lösungen ebenfalls auf globaler Ebene verankert sind. Zudem tragen wir als Menschheit eine größere Verantwortung als nur eine staatsbezogene, da auch unser Handeln häufig Auswirkungen hat, die über Staatsgrenzen hinaus reicht. Dies geht Hand in Hand mit dem Problem, dass Staatsgrenzen häufig eine gewisse Arbitrarität anhaften, vor allem in den ehemaligen Kolonien. Staaten enden oft nicht dort, wo Kulturen enden und das Menschliche ist an sich nicht an Grenzen gebunden, sondern eine universelle Qualität, die jeder Kultur, so verschieden sie auch wirken mag, zugrunde liegt. Doch gerade um die Verschiedenheit zu bewahren, schwebt vielen aus der Gruppe eher die Organisation eines föderalen Weltstaates vor. Bedenken bleiben jedoch in der Frage, ob eine Demokratie auf einer solch hohen Instanz funktionieren könnte und ob nicht eine Diktatur zur Verwirklichung von Frieden und der Bildung eines Weltstaates nötig ist. Auch die Gefahr, einer eurozentristischen Struktur droht, alleine aus dem Grund, dass das Konzept eines „Weltstaates“ in Europa entstanden ist. Am wichtigsten ist jedoch eine stabile Basis, welche die Werte eines Weltstaates schätzt. Eine solche Grundlage kann nur geschaffen werden mit der philosophischen Bildung.

(Paula Gürtler)