Protokoll des 7. Treffens der PhilEuropa Gruppe Lüneburg

Dienstag, den 09.01.2018
(19:30-22.30  Uhr)

Leuphana Universität Lüneburg

Den ersten Vortrag des Abends hält Sara Diekmannshenke. Darin stellt sie die zwei Hausarbeiten vor, die sie innerhalb der letzten beiden Semester geschrieben hat.

Die erste der beiden Hausarbeiten („Inwiefern bietet der Monismus dem westlich geprägten Menschen in der heutigen Zeit eine Orientierung in seiner Beziehung zur Natur?“) bezieht sich maßgeblich auf die Frage, ob der Monismus ein Denkansatz ist, der mit dem Gedanken der Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen kann. Der monistische Gedanke beschreibt die Einheit diverser Komponenten, ursprünglich in Bezug auf Materie und Geist bzw. Natur und Mensch. Sara überträgt dies aber auch auf die Welt an sich. Allerdings kann man bei dem aktuellen Umgang mit der Welt nicht von einer monistischen Betrachtung sprechen. Durch den verbreiteten Kapitalismus werden die Welt und ihre Ressourcen als Ware gesehen, die dem Markt unterliegen und dem Menschen somit nicht ebenbürtig sind. Durch diese fehlende Anerkennung kommt es zur Ausbeutung und Zerstörung.

Die Nachhaltigkeit fordert einen verantwortungsbewussten Umgang mit der Natur, stellt damit die Gegenposition dar und ist dem Gedanken des Monismus‘ somit viel enger verbunden. Eines von zahlreichen Nachhaltigkeitsmodellen, welches Sara uns vorstellt, sieht Wirtschaft und Menschen mit ihren Bedürfnissen als Teilmenge der Erde. Diese setzt bio-physikalische Grenzen, die somit Wirtschaft und Menschen begrenzen. Der Mensch muss also die Erde schützen, um sich selbst zu schützen.

Die Forschungsfrage wird wie folgt beantwortet: Ja, die monistische Sichtweise auf die Welt hält den Menschen dazu an, naturverbunden zu fühlen/ zu denken und sich nachhaltig zu verhalten, um den Monos, dessen er selbst Teil ist, zu schützen.

Saras zweite Hausarbeit hat den Titel „Was ist unter philosophisch-monistischer Bildung zu verstehen und inwieweit kann diese zur nachhaltigen Entwicklung beitragen?“. Hierin setzt sie Bildung und Nachhaltigkeit in den Zusammenhang. Bildung kann hierbei auf dreierlei Art definiert werden. Zum Einen als der Erwerb von Abschlusszertifikaten, des Weiteren als das, was zu Verringerung von Ungleichheiten beiträgt und als Drittes als Weg zur selbstbestimmten Subjektivierung. Nachhaltigkeit ist dann erreicht, wenn sowohl aktuell als auch in der Zukunft die Sicherung des Lebensstandards aller Menschen sicher gestellt ist.

Bildung schafft Solidarität, mündige Bürger, Auseinandersetzen mit dem Selbst, dem Anderen und der Welt. Und somit kann (philosophische) Bildung die Fähigkeit erwecken, zu erkennen. Zu erkennen, dass nachhaltige Entwicklung unabdingbar ist. Hier kann man dann auch den Bogen zur ersten Hausarbeit schlagen, da die Philosophie eine monistische Bildung vermittelt, die die Welt als schützenswerte Einheit darstellt, ohne dabei ihre Vielfältigkeit zu untergraben.

Durch die folgende Diskussion wurden die folgenden Punkte nochmal unterstrichen dargestellt oder ergänzend geäußert, teils auch in Fragen:

  • Der Mensch hat eine „moderierende Rolle“ auf der Welt und setzt sich durch die Wissenschaft mit der Natur auseinander. Gleichzeitig ist er aber auch Teil der Natur, sodass er eine duale Rolle in einem monistischen System hat.
  • Wenn man die Natur als Ware bezeichnet, so muss man auch den Menschen als Ware sehen. Zum Einen, da der Mensch laut monistischem Standpunkt ein Teil der Natur/ Welt ist, zum anderen, da sich auch die Arbeitskraft des Menschen mit den Ressourcen auf dem Markt befindet.
  • Das Konzept ‚Bildung für Nachhaltige Entwicklung‘ (BNE) wurde genannt. Die ist ein erster Ansatz dem Menschen in seinem egoistischen Handeln zu begegnen und das entgegengesetzte Denken zu verbreiten. Allerdings ist dies noch kein vollkommenes Konzept. Ob es Früchte tragen wird, wird man vermutlich erst in einigen Jahren bis Jahrzehnten feststellen können. Hoffentlich ist es dann nicht zu spät.
  • Ein wichtiges Kriterium dafür, ob man sich nachhaltig oder egoistisch verhält, ist die Unterscheidung, ob man sich über das „Haben“ oder das „Sein“ definiert. Die vom Kapitalismus geprägte Gesellschaft definiert sich zunehmend über das „Haben“. Die Philosophie ist hiervon losgelöst und kann somit Antwort sein.
  • Was können wir tun? Gibt es eine Lösung?

Es darf nicht weiterhin an materiellem Wohlstand festgehalten werden, das ständige Wachstum muss gestoppt werden und es muss mehr Wert auf die immateriellen/ sozialen Komponenten Wert gelegt werden. (Suffizienz-Gedanke).
→ Dabei muss klar zwischen Wachstum und Fortschritt unterschieden werden. Der Fortschritt birgt Potential die nachhaltige Entwicklung zu fördern und zu stärken.

  • Kann mit der aktuellen Bevölkerungszahl überhaupt eine Nachhaltigkeit erreicht werden?
  • Es ist politisches Eingreifen notwendig, um die Probleme des Systems zu beheben. „Wenn ich es nicht ausnutze, dann tut es ein anderer.“ Diese Gedanken dürfen nicht mehr möglich sein. Was der Natur übermäßig schadet, muss verboten und abgeschafft werden.
    → Die richtigen Leute müssen in die Politik. Politik sollte möglicherweise als angewandte Philosophie verstanden werden.
  • Der Kapitalismus gibt vor, dass das Glück der Menschen unweigerlich mit Wachstum verbunden ist. Allerdings gibt es einige philosophische Theorien, die nicht davon ausgehen.
    → In diesem Fall könnte man der Philosophie Recht geben, indem man die Aussagen gewichtet. Die Philosophie ist die Wissenschaft aller Wissenschaften und somit mehr als eine Meinung.

Den zweiten Vortrag des Abends hören wir von Clara Tempel mit dem Titel „Die Vorbereitung auf den Weltstaat entlang des Prinzips ‚Global denken, lokal handeln‘ am Beispiel der Transition-Bewegung“. Sie unterteilt ihren Vortrag in drei Bereiche. Zunächst erläutert sie die 5 Punkte, die es ihrer Ansicht nach braucht, um einen Weltstaat errichten zu können, erklärt dann als nächstes die Transition-Bewegung und wendet dann die 5 genannten Kriterien auf diese Bewegung an, um zu ergründen, ob diese zur Errichtung eines Weltstaats tauglich wäre. Wichtig ist ihr dabei, dass die Kriterien zuerst und somit unabhängig von der Kenntnis der Transition-Bewegung aufgestellt wurden. Der einfacheren Darstellung wegen werde ich nun zuerst über die Bewegung schreiben und dann Kriterien mit Überprüfung gemeinsam darstellen.

Die Transition-Bewegung  („Global denken, lokal handeln“) organisiert weltweit lokale Projekte, die globale Probleme aufgreifen und diese lokal verbessern, um so gesamtheitlich eine Verbesserung zu erzielen. Dabei beziehen sie sich schwerpunktmäßig auf die Themengebiete Energie (Ölförderung), Klima (Klimawandel, CO2-Ausstoß) und Wirtschaft (Wirtschaftskrise, Wachstumsgedanke). Zwar fordern sie Veränderung und appellieren durch ihre Projekt an die Menschen etwas zu verändern, das vordergründige Ziel besteht aber vor Allem darin selbst aktiv zu werden und Veränderung zu schaffen.

Notwendige Kriterien zur Errichtung eines Weltstaats:

  • Auflösen von alten eingefahrenen Strukturen, um Platz für Neues zu schaffen und Barrieren zu durchbrechen.
    Nicht erfüllt. Es wird nichts Altes aufgelöst.
  • Verbindende Elemente, die eine gemeinsame Identifikation ermöglichen. Die wichtigsten Elemente sind Vernunft, Kreativität, Negativität und Anerkennung.
    Vollkommen erfüllt! Mit Vernunft betrachtet man die Welt und ihre Kapazitäten und geht entsprechend damit um. Durch Kreativität und Negativität sind die Projekte gestaltet und ins Leben gerufen und man fördert die Anerkennung durch Gemeinschaftsbildung und die Anerkennung gegenüber der Natur.
  • Selbstermächtigung: Es bedarf mündiger Bürger, die von sich aus teilhaben und neues schaffen. Gut erfüllt. Durch den Ansatz direkt zu handeln, ergreifen die Teilnehmer Initiative und machen Gebrauch von ihrer Mündigkeit.
  • Neue Strukturen aufbauen: Regierung, Informationssysteme etc. müssen miteinander vernetzt sein. Es muss eine funktionierende Struktur geben.
    Die Transitions-Bewegung kommt ohne hierarchische Strukturen aus, allerdings bietet sie keine Vorschläge/ Antworten für neue staatliche Systeme.
  • Lokale Stabilität: Es muss nicht alles gleich werden, es muss nur alles gemeinsam funktionieren, sodass die Unterschiedlichkeit von lokalen Stützpunkten aus die Gemeinschaft stützt.
    Gut erfüllt. Lokale Projekte = lokaler Zusammenhalt und Stabilität. Zusätzlich bleiben die Investitionen und Entscheidungsvollmachten in der jeweiligen Region.

Somit kommt Clara zu dem Fazit, dass globales Denken für die Idee von einem Weltstaat und deren Umsetzung unabdingbar ist. Lokales Handeln könnte ein Weg dorthin sein.

Durch die folgende Diskussion wurden die folgenden Punkte nochmal unterstrichen dargestellt oder ergänzend geäußert, teils auch in Fragen:

  • Es wird die Frage aufgeworfen, ob es notwendig ist, neue Strukturen zu schaffen (aktives Vorgehen gegen alte Strukturen) oder ob nicht ein gutes Projekt/ Idee/ System so gut sein kann, dass es das alte ablöst.
    → Gegenbeispiel: Braunkohle-Abbau. Es gibt bereits erneuerbare Energien, die den Braunkohl-Abbau vollkommen ersetzen könnten und trotzdem geschieht dies nicht.
  • Wie kann man die Menschen von der Idee des Weltstaates überzeugen?

Wir sind uns einig, dass es nicht mit „Missionierarbeit“ geht, sondern, dass die Menschen es sich aus ihrem Inneren erschießen müssen. Dies führt wieder zurück zum Thema der Bildung. Eine andere Idee von Marco sieht vor alle gleichgesinnten Bewegungen zusammenzuführen und eine Bewegung der Bewegungen zu schaffen. Diese könnte die lokalen Träger zusammenführen. Wenn man nun darüber ein funktionierendes Konzept eines Weltstaates aufspannt, so werden die Nationalstaaten als Zwischenebene überflüssig. Eine Idee. Ein Traum.

Wir schließen die Sitzung mit dem Gedanken daran, dass die Vernunft der Wert ist, der uns alle miteinander und mit allen Menschen dieser Welt verbindet. Und mit der Hoffnung, dass die Vernunft die Wahrheit erkennen kann und sich die Wahrheit immer durchsetzt.

(Der Termin für die nächste Sitzung ist für den 10. April um 19.30 Uhr angesetzt. Eine Einladung mit Angabe der Referate, die gehalten werden, wird in den kommenden Wochen verschickt).

(Alles ist auch auf facebook: https://www.facebook.com/philosophiefueralle.de/ zu lesen.)

Anna Caroline Bringmann

In der 6. und 7. Sitzung wird die philosophische Ethik dargestellt

Am Montag den 9.1. gehen unsere Lüneburger Seminare weiter.

Wir werden uns mit der teilweise neuen vorgeschlagenen philosophisch-idealistischen Ethik beschäftigen, die in Philosophie für alle präsentiert wird und den Anspruch erhebt, als Vernunftreligion eine philosophisch-idealistische Globalisierung weltweit zu stiften.

Begriffe wie Vernunftreligion, universelle und unsichtbare Kirche wurden von Immanuel Kant 1793 in seinem Buch Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft formuliert. Es sind Begriffe, die heute aktueller denn je scheinen.

Darüber hinaus gründete Hegel in den darauffolgenden Jahren seine Auffassung einer Philosophie als Begründung einer selbstbewussten, freien Zivilisation. Wir finden diese in seiner ersten Ethikauffassung (Manuskript System der Sittlichkeit von 1802) sowie in dessen späterem Schluss, der mit dem Titel Fortsetzung des Systems der Sittlichkeit(1803-05) von seinem Biographen Karl Rosenkranz überliefert wurde. Darin definiert Hegel diese Zivilisation als ‚freies Volk‘, das er dann später in seinen Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte mit den germanischen Völkern identifizierte, worunter er die nordeuropäischen, protestantischen Völkern  meinte.

Gleichzeitig sprach der Philosoph dabei aber auch von einem ‚absoluten‘, universellen Geist, einem ‚Weltgeist‘, der dazu strebt, über die internationalen Beziehungen Freiheit für alle Menschen auf Erden (und nicht nur bei den ‚germanischen‘ Völkern) zu verwirklichen. Diese ist als Hegels Meinung über den Sinne der Geschichte zu betrachten.

Hegel war also nicht in der Lage, in seinem Leben diese Kontrast zu lösen zwischen einem Weltgeist, der auf Erden überall die Freiheit für alle früher oder später stiften wird, und der Identifizierung zu damaliger Zeit mit der ‚germanischen‘ Zivilisation, die wir heute im Allgemeinen als Westen bezeichnen würden (wobei eigentlich auch die kommunistischen bzw. ex-kommunistischen Ländern dazu gehören könnten). Seine Philosophie enthält aber die Grundideen für eine solche Lösung, die sich zwar in dem Begriff ‚Weltgeist‘ befindet, wurde aber von ihm aaus historischen Gründen nicht adäquat entwickelt.

In Philosophie für alle habe ich diese Problematik gelöst und eine Vernunftreligion für die Menschheit präsentiert. Die intersubjektive Anerkennung spielt dabei eine entscheidende Rolle, da nur sie dem Menschen ermöglicht, seinen Geist zu verwirklichen, also frei im wahren Sinne des Wortes zu leben. In diesem Bezug spielt eine Schlüsselrolle der Unterschied zwischen wahrer und falscher Unendlichkeit. Diese ist die die logische Grundlage, worauf die Unterscheidung zwischen wahrer und falscher Freiheit, die Willkür eigentlich ist, begründet werden kann.

Die wahre Freiheit verwirklicht sich dagegen im ethischen Leben, d.h. in den Institutionen der Gesellschaft, in denen wir unausweichlich leben. Diese sind:

  1. der Staat, der als Weltstaat seinen philosophisch begründeten Ausdruck finden;
  2. die Arbeit, die als Dienst angesehen werden soll;
  3. die Familie, deren Grundlage die Liebe zwischen Frau und Mann ist.

Nur ein Leben, das bewusst innerhalb diesen Institutionen gelebt wird, kann die Selbstverwirklichung des Geistes und deswegen sein Glück im Sinne von Erfüllung, Zufriedenheit ermöglichen. Grund dafür ist, dass die wahre Unendlichkeit, also die Fähigkeit, sich kreative Ziele zu geben und diese im eigenen Leben zu verwirklichen, die logische Grundstruktur des Geistes, sein Wesen, seine Natur ist. Ein authentisch geistiges und deshalb glückliches, erfülltes Leben kann deshalb nur dann erfolgen, wenn man kreativ, also nach dem Prinzip der wahren Freiheit bzw. der wahren Unendlichkeit lebt.

In den letzten zwei Sitzungen beider Seminare werden wir uns mit dieser Problematik beschäftigen, wobei im Seminar über den ‚Populismus‘ wir uns eher auf die politischen Themen konzentrieren, während im Seminar über die ‚Wahrheit‘ eher psychologisch-existentielle Aspekte im Mittelpunkt stehen werden.

Dr. Marco de Angelis