Protokoll des 6. Treffens der Philosophiegruppe Lüneburg
Dienstag, den 28.11.017 um 19:30 Uhr
Leuphana Universität Lüneburg
Beginnend mit einem Vortrag von Nico Töberich „Der Weltstaat. Eine philosophische Auseinandersetzung mit dem Konzept von einer Weltgemeinschaft anhand der Ansichten Hegels“ knüpfen wir an das Ende des letzten Treffens an. Nico legt noch einmal seine Forschungsergebnisse im Bezug auf die Sichten Kants und Hegels bezüglich eines Weltstaates dar. Sein Forschungsinteresse lag beim Schreiben der Hausarbeit darin, Konflikte, Kriege und weitere Probleme der Welt und ihren Ursprung zu untersuchen. Hegel setzt hierbei die Vernunft über alles, sodass hinter allem ein sinnhafter Grund, also die Vernunft, stecken muss. Es gibt also eine höhere Macht, einen Sinn, in den sich langsam alles wandelt. Auf dem Weg dieser Wandlung kann es auch Kriege geben, diese sind jedoch dazu gedacht, dass der Mensch daraus lernt und sich schlussendlich weiter in Richtung Freiheit bewegt. Durch diese höher liegende Vernunft ist es ebenfalls möglich, andere als Personen anzuerkennen und somit Subjekte von Objekten zu unterscheiden. Dabei führt die Anerkennung anderer zur Selbsterkenntnis.
Dies wendet Hegel entsprechend auf die Geschichte an. Er betrachtet die einzelnen Staaten wie Individuen, die solange Krieg gegeneinander führen, bis sie erkennen, dass sie sich einigen und miteinander auskommen müssen. Da diese Kriege nun offenbar unausweichlich sind, stellt Hegel die Forderung, dass ein Krieg immer menschlich sein muss. Dies bedeutet für ihn, dass es immer eine Aussicht auf einen anschließenden Friedensschluss geben muss.
Realisierbar wird das Ganze, wenn große Zivilisationen anfangen, gemeinsame Lösungen zu erarbeiten und in dem Sinne zusammen arbeiten, dass sich daraus ein Weltstaat entwickeln kann. Ein Beispiel für eine solche Entwicklung ist die Europäische Union. Diese ist zwar noch weit weg von einem Weltstaat, hat aber erste Schritte in diese Richtung gemacht. Man hat aus dem zweiten Weltkrieg gelernt und ein Bündnis erschaffen – so wie Hegel es sich vorstellte.
Von dieser Informationsgrundlage gehen wir dann in eine Diskussion. Der erste Punkt war eine Art Warnung. Denn wenn die Menschen sich ihrer Geschichte nicht bewusst sind und diese nicht ehrlich verinnerlichen, so besteht die Gefahr, dass sie ihre Fehler immer und immer wiederholen und weitere Kriege führen, ohne dass diese zu einer Weiterentwicklung führen. Doch diese Weiterentwicklung in Richtung Freiheit setzt die Überwindung der „Unfreiheit“ voraus. Dies ergibt für uns die Schlussfolgerung, dass Kinder schon in der Schule lernen sollten, wie man philosophisch denkt, um diese Entwicklung zu verstehen und in ihr weiter schreiten zu wollen und zu können.
Momentan leben wir in Deutschland/ Europa in einem System, was vielleicht nicht optimal, dennoch aber ganz gut ist. Dies verleitet stark dazu, sich darauf auszuruhen und keine weiteren Verbesserungen anzustreben. Der Mensch sieht bzw. spürt keinen Anlass für Weiterentwicklung. Hier haben wir uns nun die Frage gestellt, ob der Mensch möglicherweise immer einem gewissen Druck ausgeliefert sein muss, um Gutes zu schaffen und sich weiter entwickeln zu wollen? Wenn man hierzu noch einmal das Beispiel der EU heranzieht, so stellt man fest, dass diese als Gegenreaktion auf die Gründung der Sowjetunion entstand. Um gegen halten zu können, musste man ein ähnlich starkes Bündnis schaffen. Schaut man unter diesem Gesichtspunkt in die heutige Zeit und stellt dabei fest, dass es momentan keine solche unmittelbare Bedrohung gibt, so sieht man auch recht schnell, dass dies keine weitere Einigung begünstigt. Ganz im Gegenteil. Spätestens mit dem Brexit löst sich die bestehende Gemeinschaft, die EU, langsam auf.
Ein sehr wichtiger Punkt war für uns, dass das Geschichtsbewusstsein niemals verloren gehen darf. Gerade jetzt, beginnend mit dem Ende des 2. Weltkrieges sind wir an einem Punkt angelangt, ab dem wir keine Kriege mehr benötigen. Wenn wir es jetzt schaffen, nicht zu vergessen, dann sind wir an dem Punkt an dem wir permanente friedliche Weiterentwicklung erreichen können.
Erinnerung + Bewusstsein → Weiterentwicklung
Der springende Punkt hierbei ist die aktuelle Situation. Einerseits sind wir so weit, dass es keinerlei Kriege mehr bedarf, andererseits leben wir in einem System, welches zunehmend des Egoismus des Menschen fördert und dadurch den Gedanken ans Gemeinwohl hemmt. Dem Menschen geht es gut, sodass Entwicklungen zu stagnieren drohen und der Egoismus möglicherweise einen Rückschritt erwirken kann. Somit ist uns klar, man solle, auch über die Verbreitung philosophischer Gedanken, möglichst vielen Leuten zeigen, dass die Förderung des Gemeinwohles das non plus ultra ist.
Weiter ging es mit dem Vortrag von Carla Denzinger „Was bedeutet Familie? Eine philosophische Untersuchung des Familienbegriffs“.
Im ersten Teil des Vortrages bezieht auch sie sich auf Hegel und dessen Definition der Familie. Der Kern der Familie ist die Liebe, denn jeder Mensch hat das Bedürfnis nach Liebe. Durch diese Liebe kann der Mensch sich selbst finden und sich auch im Anderen wiederfinden. Die Eheschließung ist dann quasi nur der äußere Rahmen, dennoch aber wichtig, damit das Ganze ernsthaft ist und die Verbindung der Eheleute einer bewussten Entscheidung bedarf.
Innerhalb der Familie verteilt Hegel die Rollen sehr eindeutig. Er geht von einer heterosexuellen monogamen Zusammensetzung aus. Der Mann soll dabei die Familie nach außen vertreten, ist für die Finanzen und die Repräsentation zuständig. Die Frau ist dabei der nach innen gekehrte Part, der der Familie zugewandt ist und alle häusliche Arbeit verrichtet. Grundlegend sind die Ehepartner aber gleich gestellt, bekleiden eben nur unterschiedliche Aufgaben.
Nach Hegel besitzt eine Einzelperson Eigentum, eine Familie hingegen Vermögen, welches weitergegeben werden soll. Somit sind auch die Kinder als Produkt der Ehe, Teil der Familie, werden aber als eigenständige Personen betrachtet, die das Erbe der Eltern tragen und dazu bestimmt sind, eine eigene Familie zu gründen.
Des Weiteren beschäftigte Carla sich mit Regenbogenfamilien (gleichgeschlechtliches Paar mit Kindern; Zusammensetzung egal). Derzeit leben in Deutschland etwa 7.000 Kinder in Regenbogenfamilien, doch die fortwährende konservative Einstellung macht es diesen Familien nicht gerade leicht. Nicht nur die gesellschaftliche Anerkennung leidet darunter, auch finanzielle Mittel sind nicht allzu leicht zu beantragen.
Betrachtet man die Welt von einem monistischen Standpunkt aus, so setzt dies voraus, dass wir eins sind mit der Natur. Dies jedoch widerspricht all den Möglichkeiten, die ein gleichgeschlechtliches Paar hat, um Kinder in ihre Familie zu bringen: Adoption, Leihmutterschaft, Samenspende.
Die Zuneigung zwischen Eltern und Kindern ist die gleiche, egal in welcher Konstellation die Familie zusammengesetzt ist, doch die Biologie unterscheidet Regenbogenfamilie von „normalen Familien“. Hier stellt sich nun die Frage, ob man diese beiden Familientypen durch eine begriffliche Unterscheidung trennen sollte. Und dies wirft wiederum die Frage auf, in wie weit dies der grundsätzlich angestrebten Gleichberechtigung dienlich ist.
Der Begriff der Familie ist so sehr von Emotionen gefüllt, dass dieser niemals neutral sein kann, und somit ist es auch nicht wirklich fair, eine Gemeinschaft von liebenden Eltern und geliebten Kindern, ganz gleich wie diese gezeugt worden sind, nicht als Familie zu bezeichnen. Carla schlägt vor, die Begriffe beizubehalten und den Kindern gegenüber immer transparent zu zeigen, woher sie kommen, wie sie entstanden sind und deutlich zu machen, dass ihre Eltern sie, wenn sie auch nicht die Leiblichen sein mögen, von Herzen wollen und lieben. Somit steht gegenseitige Fürsorge, Zuneigung und Emotionalität im Vordergrund und ist Grundlage für etwas, das wir als „Familie“ bezeichnen.
In der anschließenden Diskussion wurden viele Punkte des Vortrags noch mal aufgegriffen und sollen hier nochmal kurz zusammen gefasst dargestellt werden.
Die philosophische Grundlage, auf der viele große Philosophen aufgebaut haben, bezieht sich auf die Natur. So tut es auch Hegel und prägt den Familienbegriff mit Mann und Frau als Charaktere der Ehe. Daraufhin stellten wir uns die Frage, ob das Eingreifen in die natürlichen menschlichen Prozesse grundsätzlich überhaupt mit den Aussagen Hegels vereinbar ist. Ein weiterer Punkt hierbei ist, dass die Fortpflanzung als eines der Merkmale des Lebens angesehen wird.
Von diesem Punkt aus ist es dann auch wieder allzu verständlich, dass auch gleichgeschlechtliche Paare den Wunsch verspüren, sich fortpflanzen zu wollen. Wenn auch die Frage im Raum steht, ob es möglicherweise egoistisch ist, ein Kind mit künstlicher Hilfe zu bekommen (Adoption ausgeschlossen), so muss man immer bedenken, dass ein Kind in einem gleichgeschlechtlichen Paar niemals ungewollt entsteht, sondern es weiter und anspruchsvoller Wege bedarf, ehe ein Kind in die Familie kommt. Somit kann man davon ausgehen, dass gleichgeschlechtliche Paare, die ein Kind bekommen möchten, sehr stark und gefestigt in ihrer Liebe sind und das Kind ein Herzenswunsch ist, denn der Weg dorthin ist lang.
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(Anna Caroline Bringmann)