Grundinhalt der dritten Sitzung des Seminars “Die philosophische Identität Europas“

Hiermit fasse ich zusammen, was wir bei der letzten Sitzung am 11. Mai 2016 durchgenommen haben und danach gebe ich einige Hinweise darauf, wie wir weitergehen werden.

Zurzeit beschäftigen wir uns mit der Problematik der Wahrheit, der Korrispondenz zwischen Ideen, woraus unser Wissen besteht, und der sogennanten ‚Realität‘. 

Wir haben unterschieden zwischen der Wirklichkeit, also der begrifflichen, gedanklichen Grundstruktur des Seienden, und der Realität, die die materielle Seite des Seienden ist. 

Die Wirklichkeit ist logisch notwendig, die Realität ist zufällig und kontingent. 

Das Seiende besteht in der Dialektik, im Zusammenspiel von beiden Seiten. 

Was wir mit logischer Genauigkeit erkennen können, ist die Wirklichkeit, da sie eben rein logisch ist. Die Realität können wir zwar auch erkennen, aber nicht nach logischer Notwendigkeit, da sie auch anders hätte sein können. 

Die Wirklichkeit entspricht dem, was Parmenides als Episteme (Erkenntnis der Wahrheit, Wissen) bestimmt hat; Realität entspricht dem, was bei Parmenides die Doxa, also die Meinung, ist. 

Der Unterschied zwischen Wirklichkeit und Realität befindet sich insbesondere bei Hegel. Die Korrespondenz zwischen Ideen und Dingen haben wir auch bei Spinoza gefunden. Von beiden haben wir entsprechende Texte gelesen und kommentiert. 

Mit diesen Gedanken haben wir die Erklärung bezüglich der Eigentümlichkeit der Philosophie gegenüber den Wissenschaften zu Ende gebracht. Die Philosophie hat als Ziel, die Wirklichkeit zu erkennen, um aus diesem logischen Wissen einige Hinweise für die Ethik, also für die soziale und individuelle Zukunft der Menschen, abzuleiten. Die Wissenschaften dagegen haben als Objekt die Realität, sie erforschen das, was im Raum und Zeit geschieht. Die Prinzipien der Philosophie dagegen sind ewig, sie sind nicht von Raum und Zeit abhängig. 

Danach sind wir zur Punkt 4 des Inhaltsverzeichnisses vom Buch Philosophie für Alle herübergegangen, also zur Theorie des “Ich verstehe”. Diese Theorie besteht aus 3 Schritten: 

1.     Schritt: Wir sind “Verstehen” ob wir wollen oder nicht (Verstehen als unser Schicksal)

2.     Wie kommt es, dass wir verstehen? Die Vernunft (die Kategorien) als Bindeglied zwischen Menschen und Natur

3.     Die dynamische Einheit von Menschen und Natur als Logos bzw. Monos (die Weltauffasung des dynamischen Monismus ans die einzige, die logisch-wissenschaftlich begründet ist). 

Bei dem zweiten Teil der letzten Sitzung konnten wir uns mit dem 1. Schritt beschäftigen. Ich habe die Situation des Verstehens dargestellt. Wir verstehen die Weltprozesse, das ist sowohl faktisch als auch logisch beweisbar. 

Faktisch: Alle unsere Handlugen (von Händewaschen, zum Artz gehen bis zur Raumfahrt und den komplexeren Tätigkeiten des Menschen) setzten voraus, dass wir in der Lage sind, die Naturprozesse zu modifizieren, nachzumachen usw. Wir verstehe die Welt, die Natur, das ist eine Tatsache. Natürlich können wir alles noch besser verstehen, deshalb geht die Forschung weiter. Aber sehr viele Ergebnisse haben wir schon erreicht. 

Logisch: Derjenige, der meint, dass wir nicht in der Lage sind, die Welt zu verstehen und die Wahrheit zu erkennen, müsste wenigstens das erkannt haben und begründen können, d.h. aber dass er der Meinung ist, dass er das alles verstanden hat, also tritt er in Widerspruch mit sich selbst. Also das Verstehen kann sich selber nicht negieren, da es sich selbst somit ganz im Gegenteil behaupten würde. 

Skeptizismus ist also sowohl faktisch als auch logisch nicht haltbar. 

Die Frage ist also, nicht ob wir die Welt, das Seiende verstehen können, weil das sowohl faktisch als auch logisch sicher ist. Die wirkliche Frage ist, wie kommt es überhaupt, dass wir die Welt erkennen können, wie ist das überhaupt möglich? 

Die Antwort auf diese Frage bildet den Inhalt der Lektion 5 und damit werden wir uns in der ersten Hälfte der nächsten Sitzung beschäftigen, um dann in der zweiten Hälfte den Schritt Nr. 3 (dynamische Einheit von Menschen und Natur) zu untersuchen (Lektion Nr. 6 des Inhaltsverzeichnisses). 

(Dr. Marco de Angelis)

PS. Unsere Websiten:

http://www.phileuropa.de/ (Zentrum für Europäische Philosophie – Deutsch)
http://www.cdfe.it/ (Centro di Filosofia Europea – italiano)
http://www.filosofia-urbino.org/ (Seminartätigkeit in Urbino, Italien)
http://www.robert-wallace-in-italy.it/ (Website über den philosophischen Kongress Die Überwindung des Skeptizismuns und des Nihilismus bei Plato und Hegel)

 

Grundinhalt der zweiten Sitzung des Seminars “Die philosophische Identität Europas“

Mit der zweiten Sitzung hat der Aufbau einer „europäischen Vernunftethik und Vernunftreligion“ begonnen!

Am 27. April hat die zweite Sitzung des Lüneburger Seminars „Die philosophische Identität Europas“ stattgefunden. Nach einer ersten Stunde, in der die Einführung der ersten Sitzung zu Ende gebracht wurde, hat in den weiteren zwei Stunden der richtige Aufbau des neuen, populär ausgedrückten philosophischen Systems einer europäischen Vernunftethik und Vernunftreligion angefangen.

Zusammenfassung der ersten Stunde

In der Vollendung der Einführung wurden auch anhand ihrer Fragmente die Hauptgedanken von Parmenides und Heraklit dargestellt, die den Ursprung jeder späteren Philosophie sind. Es ist in der Tat unmöglich, ohne Parmenides und Heraklit wissenschaftlich zu philosophieren.

Insbesondere hat Parmenides mit voller Kraft den Unterschied zwischen Erkenntnis (Wissen) und Meinung einmal für alle klar gestellt. Das Wissen betrifft nur das Seiende, also die Kategorie des Seins, die jedem existierenden Gegenstand zugrunde liegt. Da die Gegenstände dem unaufhörlichen Werden unterworfen sind (sie ändern sich jede Sekunde, ihr Sein besteht nur aus Werden, wie bei Heraklit zu lesen ist), dann kann es sich von diesen reell existierenden Gegenständen nur empirisches Wissen über die Sinne geben, also Meinung, die sich auch ändern wird, wenn sich die Gegenstände ändern werden. Im Gegenteil ändert sich das Seiende, also die Kategorie des Seins, nicht, da sie nicht aus Materie besteht, sondern aus reinem Denken. In der Tat stellt Parmenides klar, dass Seiendes und Denken eins und dasselbe ist, wie Parmenides explizit in seinem Lehrgedicht schreibt. Was das Denken denkt, das ist, und das, was ist, ist nur insofern vom Denken gedacht.

Es entsteht somit zu Beginn der westlichen Philosophie eine radikale Unterscheidung zwischen dem wahren Wissen, das nur dem Seienden und dem reinen Denken zugesprochen werden kann, die Welt der Begriffe als Gegenstand hat und zu unveränderlichen Wahrheiten führt, und der Meinung, die dagegen die Welt der empirischen, von der Sinnlichkeit wahrgenommenen Gegenstände betrifft und veränderlich ist. Auf der einen Seite also die Metaphysik, die Wissenschaft der ewig geltenden Begriffe, auf der anderen die Physik, die Meinung über die veränderlichen Gegenständen (natürlich Physik nicht im Sinne der heutigen gleichnamigen Wissenschaft, sondern im Sinne der Erkenntnis von dem, was gegenständlich existiert).

Auf der Grundlage dieser Unterscheidung wollen wir versuchen, in unserem Seminar eine wissenschaftliche Darstellung der ewig geltenden Begriffe, die die Struktur einer Vernunftethik und Vernunftreligion bilden, die als Grundlage für die Grundwerte des europäischen Volkes gelten kann. Wir bezwecken also Wissen zu erlangen, obwohl in einer populären Form ausgedruckt, und nicht bloße subjektive, veränderliche Meinung.

Zusammenfassung der zweiten und dritten Stunde

Der erste Begriff, mit dem wir begonnen haben, ist selbstverständlich der Begriff der Philosophie selbst, weil das eben der Grund ist, wieso wir alle da sind.

Lektion 1: Begriff der Philosophie

Die Philosophie hat sich als Wissenschaft der Weisheit erwiesen, also ihre Identität und ihr Sinn ist mehr in einer praktischen als in einer theoretischen Dimension zu sehen. Natürlich setzt jede Philosophie eine Weltauffassung voraus, aber sie bemüht sich immer, aus dieser Weltauffassung eine Menschenauffassung und deswegen dann aus dieser eine Orientierung für das Leben, auch für das eigene Leben, herauszuziehen. Der Mensch will glücklich, zufrieden sein, und sucht in der Vernunft, also in der Philosophie, nach einem Hinweis, nach einem Weg, wie er zu diesem Ziel kommen kann.

Diese Auslegung des Begriffs der Philosophie bildet die Lektion 1 von dem Manuskript, “Philosophie für Alle“, das im Juni erscheinen wird und den verschiedenen logischen Schritten unseren Aufbaus einer europäischen Ethik zugrunde liegt.

Lektion 2: Unterschied zwischen Philosophie, Religion und empirischen Wissenschaften

Die zweite Lektion betrifft den Unterschied der Philosophie zu der Religion und der empirischen Wissenschaft. Da wir den Unterschied der Philosophie zur Religion schon in der ersten Sitzung ausgiebig behandelt haben, haben wir uns auf den Unterschied zwischen Philosophie und empirischen Wissenschaften konzentriert. Dazu hat uns das Bild einer Wandbibliothek geholfen.

Stellen wir uns eine Wandbibliothek vor. Wir könnten die Bücher in alphabetischer Anordnung nach Fächern sortieren bzw. nach einer beliebigen, zufälligen Ordnung (nach Autor, nach Jahr der Ausgabe, nach Größe usw.). Wir könnten aber auch eine wissenschaftliche, sachliche Anordnung auswählen, also zuerst die grundlegenden Wissenschaften (Mathematik), dann Physik, Chemie, Astronomie, Biologie, Psychologie, Soziologie (Wirtschaft, Recht), so hätten wir in dieser Bibliothek die ganze Welt nach unserem Wissen rekonstruiert, wie sie ist (Gegenwart) bzw. wie sie gewesen ist (Geschichte der Erde, des Lebens aufs Erde, der Menschheit, der Wissenschaften selbst usw.). Auf dieser Weise hätten wir in unserer Wandbibliothek das ganze Wissen der Menschheit zusammengefasst und, wenn wir die Zeit hätten, die Bücher auch wirklich zu lesen, könnten wir erfahren, wie die Vergangenheit war und wie die Gegenwart ist, also könnten wir eine Weltauffassung daraus gewinnen.

Wie sieht es aber mit der Zukunft aus? Uns als Menschen liegt doch die Zukunft eher am Herzen, unsere individuelle Zukunft, also der Sinn, den wir unserem Leben geben sollten, um zufrieden, glücklich zu leben, sowie auch unsere gemeinsame Zukunft, also der Sinn, den wir unserer Gesellschaft geben sollten, damit dann sich das individuelle Leben eines jeden Menschen wirklich zufrieden und glücklich in einer friedlichen Gesellschaft entfalten kann. Dafür helfen uns aber die Bücher, die nur die Gegenwart und die Vergangenheit betreffen, nicht viel: Dafür brauchen wir Bücher über Ethik (Orientierung des individuellen Lebens), über Politik (Orientierung der gemeinsamen Lebens in der Gesellschaft), also Philosophiebücher. Diese Bücher würden uns die Perspektive über die Zukunft geben, die die anderen Bücher nicht liefern können.

Die Philosophiebücher sollen also unsere Wandbibliothek vervollständigen, damit wir nicht nur eine Weltauffassung gewinnen, die uns über die Vergangenheit und die Gegenwart unterrichtet, sondern auch eine Menschenauffassung, die uns eine Orientierung über die individuelle und gemeinschaftliche Zukunft unseren Lebens ermöglicht.

Da die Zukunft noch nicht da ist, ansonsten wäre sie Gegenwart, kann uns darüber in der Tat keine empirische Wissenschaft Aufschluss geben, da die empirischen Wissenschaften vom Begriff her das als Gegenstand haben, was schon ist oder gewesen ist, wovon wir also Dokumente, Fakten, Daten haben. Die Wissenschaft (im Parmenides Sinne selbstverständlich), die uns darüber Aufschluss geben kann, kann also keine empirische Wissenschaft sein, sondern nur eine reine, spekulative, abstrakte Wissenschaft sein, die mit Begriffen und nicht mit Daten, Fakten, Dokumenten arbeitet. Diese Wissenschaft ist schließlich die Philosophie.

Somit ist der Unterschied zwischen Philosophie und empirischer Wissenschaft festgelegt.

Nächste Sitzung

Das nächste Mal, Mittwoch den 11. Mai, werden wir in unserem Aufbau des neuen Systems der europäischen Ethik weitergehen, indem wir die begriffliche Struktur unserer virtuellen Wandbibliothek unter die Lupe nehmen und sie streng logisch analysieren werden. Wir werden begreifen, was Begriffe sind, ob und wie Erkenntnis der Welt durch die Begriffe möglich ist und was unsere Vernunft, die die Begriffe generiert, eigentlich ist. Es wird eine schwierige aber absolut grundlegende Sitzung sein. Wir können  in der Tat keine Vernunftethik bzw. Vernunftreligion erarbeiten, wenn wir nicht zuerst im Klaren sind, was die Vernunft, also unser Wesen als Menschen, ist.

Dokumentation über die Inhalte der zweiten Sitzung

Zum Schluss sei hier noch darauf hingewiesen, dass ich in der Rubrik „Lehrevon dieser Website sowohl den entsprechenden Text des Manuskripts „Philosophie für Alle“ als auch die Audiodateien der Sitzung vom 27. April veröffentlicht habe, so dass alle Unterlagen nun online zu Verfügung stehen, um den Inhalt der 2. Lektion nachvollziehen zu können.